
Gem. § 134 Abs. 4 AktG richtet sich die Form der Abstimmung nach der Satzung. Diese überträgt die Festlegung auf die Art der Abstimmung meist auf den Versammlungsleiter1. Dieser sollte die Modalitäten der Abstimmung so wählen, dass die Feststellung des Abstimmungsergebnisses relativ sicher erfolgen kann und möglichst wenig Zeit in Anspruch nimmt2. Auf einer kleinen Versammlung mit wenigen Teilnehmern ist eine Abstimmung durch Handaufheben oder Zuruf denkbar, da die Stimmenanzahl des Aktionärs anhand der Stimmkartennummer oder dem Namen des Aktionärs, durch das Teilnehmerverzeichnis ermittelt werden kann. Die meisten kleinen Gesellschaften greifen jedoch mittlerweile auf eine computergestützte Auszählung zurück. Bei Gesellschaften mit einem größeren Aktionärskreis ist zur sicheren und schnellen Ermittlung des Ergebnisses ein EDV-System unabdingbar. Weit verbreitet ist hierbei der Einsatz von Stimmabschnitten und Stimmkarten, die in Stimmblöcken gebündelt werden. Immer mehr setzt sich jedoch aufgrund der Flexibilität und Übersichtlichkeit der Einsatz einer sog. HV-Karte3 durch, die alle zur Ermittlung des Abstimmungsergebnisses notwendigen Daten des Aktionärs enthält und elektronisch mittels Strichcode direkt beim Aktionär eingelesen werden kann. Im Gegensatz zum Stimmblock oder zu Stimmabschnitten, die nur in begrenzter Anzahl beim Zugang zur Hauptversammlung an den Aktionär ausgehändigt werden, ist man beim Einsatz einer HV-Karte nicht auf eine bestimmte Anzahl an Abstimmpunkten begrenzt. Wird zum Beispiel bei einer Gesellschaft mit einer großen Anzahl an Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern über deren Entlastung gem. § 120 Abs. 1 S. 2 AktG im Wege der Einzelentlastung abgestimmt, kann die Kapazität an verfügbaren Stimmkarten bzw. Stimmabschnitten schnell ausgeschöpft sein, vor allem dann, wenn z.B. im Laufe der Versammlung noch über einige Geschäftsordnungsanträge von Aktionären abgestimmt werden soll. Bei dem Einsatz einer HV-Karte und einem entsprechenden EDV-System zur Abstimmung können hingegen beliebig viele Abstimmpunkte definiert und eingelesen werden.
Bei der Abstimmung mit Abstimmkarten oder Stimmabschnitten erfolgt die Abgabe der Stimme durch Ankreuzen des Stimmverhaltens und anschließendem Einwerfen in eine Sammelurne. Nach dem Einsammeln der Stimmkarten durch Abstimmhelfer, die mit den Urnen durch den Versammlungssaal gehen, müssen die Stimmkarten durch Belegleser bzw. spezielle Scanner ausgelesen werden. Dies nimmt, je nach Abstimmverfahren und Anzahl an abgegebenen Stimmkarten, relativ viel Zeit in Anspruch. Bei der Abstimmung mit einer HV-Karte, gehen die Abstimmhelfer mit elektronischen Lesegeräten zu dem Aktionär, der sich zur Stimmabgabe meldet und lesen die Daten auf dessen HV-Karte durch scannen des Barcodes über eine Funk- bzw. eine drahtlose Netzwerkverbindung (WLAN) direkt in das HV-System zur Ergebnisauswertung ein. Das Abstimmverhalten teilt der Aktionär dem Abstimmhelfer hierbei entweder durch Ankreuzen auf der HV-Karte oder mündlich mit. Auf den Abstimmgeräten erhält der Aktionär eine Rückmeldung zur Kontrolle seiner Stimmabgabe, die die Speicherung seines Stimmverhaltens im HV-System widergibt. Da die Stimmen direkt verarbeitet werden, kann mit dieser Methode zeitnah nach der Beendigung der Abstimmung durch den Versammlungsleiter das Abstimmungsergebnis ermittelt werden. Eine weitere Abstimmmethode ist die Stimmeinsammlung mittels Tele-Voter (TED). Hierbei erhält jeder Aktionär beim Zugang zur Versammlung ein Handgerät ausgehändigt, mit dem er bei der Abstimmung seine Stimme mittels Drücken einer entsprechenden Taste abgeben kann. Da dieses Verfahren einen erheblichen organisatorischen und technischen Aufwand mit sich bringt, wird diese Methode der Stimmabgabe nur selten eingesetzt.
Die Abstimmung kann als Einzelabstimmung oder, wenn zwischen den Abstimmpunkten ein sachlicher Zusammenhang besteht, als Blockabstimmung durchgeführt werden4. Bei der Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat sollte gem. § 120 Abs. 1 AktG auf eine Blockabstimmung zurückgegriffen werden. Es ist jedoch nicht zulässig, über die Entlastung sämtlicher Verwaltungsmitglieder (Vorstand und Aufsichtsrat) in einem Abstimmungsgang beschließen zu lassen5. Beantragen Aktionäre, die zusammen über einen Anteil vom Grundkapital von zehn Prozent verfügen, dass über jedes Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats gesondert abgestimmt wird, muss diesem Verlangen gem. § 120 Abs. 1 S. 2 AktG stattgegeben werden. Ebenso ist zu verfahren, wenn die Versammlung dies infolge eines Antrags zur Geschäftsordnung beschließt. Der Versammlungsleiter kann von sich aus eine Einzelentlastung anordnen, wenn er dieses Vorgehen für sinnvoll hält, z.B. dann, wenn Organmitglieder Vorgänge in unterschiedlicher Weise zu verantworten haben6. In Fällen, in denen mehrere Mitglieder des gleichen Organs eine große Anzahl an Stimmrechten halten, ordnet der Versammlungsleiter manchmal eine Einzelentlastung an, um ein Stimmverbot nach § 136 Abs. 1 AktG zu umgehen. Bei einer Gesamtentlastung müssten alle Organmitglieder von der Stimmabgabe ausgeschlossen werden, bei einer Einzelentlastung können sich die Organmitglieder gegenseitig entlasten. Dieses Vorgehen ist zwar strittig, nach herrschender Meinung jedoch zulässig7. Bei den meisten Gesellschaften wird die Abstimmung als Einzelabstimmung durchgeführt, die Erfassung der Stimmen erfolgt aber in einem Einsammelvorgang. Die Aktionäre können also in einem Einsammelvorgang zu jedem Tagesordnungspunkt ihre Stimme abgeben. Dies verkürzt die Dauer der Abstimmung, da die Auswertung und die Verkündung des Ergebnisses über alle Punkte der Tagesordnung gemeinsam erfolgt. Bei einer Einzelabstimmung müssen die Stimmen für jeden Abstimmungspunkt gesondert gesammelt und ausgewertet werden. Die Ergebnisfeststellung erfolgt hierbei gesondert nach jedem Sammelgang.
Zur Auszählung der Stimmen kann entweder die Additionsmethode oder die Subtraktionsmethode verwendet werden8. Bei der Additionsmethode werden die Ja- Stimmen und die Nein-Stimmen eingesammelt und gezählt und die Zahl der abgegebenen Stimmen durch Addition dieser beiden Werte ermittelt9. Enthaltungen werden nicht mitgezählt, da für die Feststellung der Mehrheit nur das Verhältnis zwischen Ja- und Nein-Stimmen ausschlaggebend ist10. Diese Methode ist sehr zuverlässig, der Einsammelvorgang nimmt aber etwas Zeit in Anspruch, da jeder, der an der Abstimmung teilnehmen will, seine Stimme abgeben muss. Die Additionsmethode ist daher bei kleinen Hauptversammlungen gut durchführbar.
Bei der Subtraktionsmethode werden bei der Stimmeinsammlung in der Regel nur Nein-Stimmen und Stimmenthaltungen erfasst11. Zudem muss die Anzahl der Stimmen, die an der Hauptversammlung teilnehmen, genau bekannt sein. Von diesen werden dann die Stimmenthaltungen abgezogen. Hieraus ergibt sich die Anzahl der abgegebenen Stimmen, auch Abstimmpräsenz genannt. Hiervon ist dann wiederum die Zahl der Nein-Stimmen zu subtrahieren. Die Differenz entspricht der Anzahl der Ja-Stimmen12. Wer also keine Stimme abgibt und an der Hauptversammlung zum Zeitpunkt der Abstimmung teilnimmt, stimmt den Beschlussvorschlägen der Verwaltung zu. Die Subtraktionsmethode hat somit den Vorteil, dass der Einsammelvorgang in der Regel nicht so viel Zeit in Anspruch nimmt, da man davon ausgehen kann, dass sich die meisten Aktionäre dem Beschlussvorschlag der Verwaltung anschließen werden. Die Subtraktionsmethode ist grundsätzlich zulässig, solange die Anzahl der teilnehmenden Aktionäre an jeder Abstimmung zuverlässig aus dem Teilnehmerverzeichnis oder der Präsenzliste festgestellt werden kann13. Es ist deshalb an den Ein- und Ausgangsschaltern zur Hauptversammlung mit äußerster Sorgfalt zu kontrollieren, wer den Präsenzbereich betritt und verlässt, damit immer die aktuelle Anzahl an teilnehmenden Aktionären und damit an präsenten Stimmen festgestellt werden kann. Somit sollte in diesem Falle immer auf eine Front-Office-Erfassung, die direkt mit dem HV-System gekoppelt ist, zurückgegriffen werden. Da jedoch immer ein Restrisiko bleibt, sollte bei Versammlungen mit knappen Mehrheitsverhältnissen auf die Additionsmethode zurückgegriffen werden14. In manchen Fällen versuchen Aktionäre bei Versammlungen, bei denen die Subtraktionsmethode eingesetzt wird, z.B. durch Tausch der Stimmkarten untereinander oder Betreten bzw. Verlassen der Versammlung, ohne alle Stimmkarten registrieren zu lassen, die Präsenzliste zu manipulieren und damit die Anzahl der präsenten Stimmen zu den Abstimmgängen zu verfälschen und somit einen Anfechtungsgrund zu erzwingen. Um dies zu vermeiden, sollte bei Versammlungen, bei denen ein kritischer Verlauf zu erwarten ist, immer auf die Additionsmethode zurückgegriffen werden, da bei der Ergebnisermittlung die Hauptversammlungspräsenz nicht entscheidend ist.
Die Auswertung der Stimmen erfolgt in den überwiegenden Fällen elektronisch, da eine händische Berechnung zu zeitaufwändig und fehleranfällig ist15. Je nach Einsammelart kann das Ergebnis entweder zeitnah nach Beendigung der Abstimmung durch den Versammlungsleiter oder mit einigem Zeitaufwand durch Auszählung der Stimmkarten oder Stimmabschnitte in einem Back-Office, ermittelt werden. Bei letzterer Methode wird meist eine kleine Pause zwischen Beendigung der Abstimmung und Verkündung der Abstimmungsergebnisse eingelegt. Der Notar ist verpflichtet, die ordnungsgemäße Durchführung des Abstimmungsverfahrens zu überwachen. Er muss jedoch nicht selbst an der Stimmauszählung mitwirken und ist auch nicht verpflichtet, diese zu kontrollieren16. Die Beschlüsse der Hauptversammlung bedürfen gem. § 133 Abs. 1 AktG grundsätzlich der einfachen Mehrheit. Gesetz und Satzung können jedoch eine größere Mehrheit bestimmen. Die einfache Stimmenmehrheit ist hierbei erreicht, wenn die Summe der abgegebenen Ja-Stimmen die Summe der Nein-Stimmen übersteigt17. Enthaltungen gelten nicht als abgegebene Stimmen und werden bei der Mehrheitsermittlung nicht berücksichtigt18. Durch Gesetz und die Satzung kann zudem eine Dreiviertel-Mehrheit der Stimmen und eine Dreiviertel-Mehrheit des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals vorgesehen sein. Eine qualifizierte Kapitalmehrheit ist z.B. bei allen Kapitalmaßnahmen und bei sonstigen Satzungsänderungen gem. § 179 Abs. 2 S. 1 AktG gesetzlich vorgegeben19. Oftmals wird gem. § 179 Abs. 2 S. 2 AktG die qualifizierte Kapitalmehrheit durch eine Satzungsregelung auf eine einfache Kapitalmehrheit reduziert20.
- Siehe Anlage 1 – Übersicht über Satzungsregelungen der DAX-Unternehmen.
- Hüffer, Aktiengesetz, § 134, Rn. 35.
- Siehe Anlage 2 – Muster einer HV-Karte
- BGH, NZG 2003, 1023 ff.
- OLG München, WM 2006, 1486.
- Hüffer, Aktiengesetz, § 120, Rn. 10.
- Hüffer, Aktiengesetz, § 136, Rn. 20.
- Goette/Habersack/Kalss, Münchner Kommentar zum Aktiengesetz, 3. Band, § 133 Rn. 24.
- Goette/Habersack/Kalss, Münchner Kommentar zum Aktiengesetz, 3. Band, § 133 Rn. 25.
- Goette/Habersack/Kalss, Münchner Kommentar zum Aktiengesetz, 3. Band, § 133 Rn. 25.
- Goette/Habersack/Kalss, Münchner Kommentar zum Aktiengesetz, 3. Band, § 133 Rn. 26.
- Goette/Habersack/Kalss, Münchner Kommentar zum Aktiengesetz, 3. Band, § 133 Rn. 26
- Goette/Habersack/Kalss, Münchner Kommentar zum Aktiengesetz, 3. Band, § 133 Rn. 26
- Hüffer, Aktiengesetz, § 133, Rn. 24.
- Butzke, Die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft, S. 230, Rn. 114.
- BGH, DB 2009, 500, 503.
- Hüffer, Aktiengesetz, § 133, Rn. 12.
- BGHZ 129, 136, 153.
- Ek, Praxisleitfaden für die Hauptversammlung, S. 99, Rn. 364.
- Siehe Anlage 1 – Übersicht über Satzungsregelungen der DAX-Unternehmen.